Knokblog
Donnerstag, 28. September 2006
Sarajevo Schattenstadt

Und man sagte mir ja: Es reicht nicht, ein paar Tage in Sarajevo zu sein, um Sarajevo zu verstehen. Und ich bummelte durch die Stadt und schaute und freute mich und am Abend lernte ich einen türkischen Captain (Militär-Rang) kennen, der mir absurdes erklärte und viel Bier ausgab. Dann der Lufthansa-Captain (Pilot), der sich zwei Mädels (zwischen 35 und 45 Jahre alt) für eine Nacht in Sarajevo aus dem Netz aufgerissen hat. Aber ich wollte nicht mit ihnen ins Hotel, sondern ging mit den beiden Bartendern durch die Stadt. Und dann wurde es klarer. Zumal mir Dalio zuvor erklärte, dass der Krieg immer der Schlüssel ist und die Leute immer auf den Krieg zurück kommen. Das sei das einzige. Und der Frührenter, der meinte, dass die Jugend nur noch von Tag zu Tag lebt, ohne Vertrauen, ohne jede Zuversicht. Und dann rief der Bartender auf der Straße: "You know what? Fake!!! That's all fake. We're all fake! People look good and normal, but they're all fakes! Fucking fakes! They have a Mercedes, but can afford only a coffee a day and starve. We party so excessivly, because that's the only thing, we can do and we can look for. These parties are sad; fake! It's all a fake. And the tourist look at us and think, we're savages. But we're fakes. This whole city is fucked up!" Dann trat der andere eine Zigarettenschachtel auf die Straße und der erste hebt sie auf und ruft: "Do you see? That's how we do it in Sarajevo. We do something and say: Sorry, I'm bosnian. That's the perfect excuse. People don't have anything to care about, they don't care. They are fakes in a fake city."

Ich ging traurig zu meinem Zuhause zurück - die Straßen waren alle leer, Granatwunden im Asphalt gestopft - sie sehen aus wie eine Säure-Wasserbombe, deren Spritzer sich in den Boden fraßen. Etwas Salz oder Zucker ist in kleinen Häufchen auf einen Fenstersims gestreut und schwarzweiße Aufkleber in der ganzen Stadt: "Not a little, not a lot. Just enough." und "It's a perfect day to love you" und: "Here".

Ich werde zurückkommen müssen und lernen. Was ich in der Stadt sehe, ist nicht die Stadt. Und die Leute, die ich kennenlerne, erzählen Geschichten einer Schattenstadt. Fassaden, hinter denen nur Schatten sind von dem, was die Stadt einst war und für was sie stand. Gerade ist Ramadan und es gibt wenig Bier. Zum Bayram werden alle wieder Drogen nehmen, rauchen, saufen, huren. Dalio lacht. Die Stadt sei seltsam. Ich soll wiederkommen. Es gibt viel zu erzählen und wahrscheinlich nur wenig zu verstehen.

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