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Samstag, 15. Dezember 2012
Recherche: Adam Lanza & Asperger-Syndrom

Viel Blödsinn wird die nächsten Tage über Adam Lanza und sein angebliches Asperger-Syndrom geschrieben. Darüber, wie er nicht zu fühlen fähig war, wie seine Persönlichkeit auf dem Stand eines Kindes stehen geblieben war, wie er als hochintelligenter Roboter nicht fähig war, sein Gefühlsleben mit seiner Umwelt in Einklang zu bringen. Lanza als jemand, der explodierte und ausbrechen musste, weil er keinen Platz in der Gesellschaft fand. Es wird wohl viel von Autismus und der Asperger-Diagnose (aber war Lanza überhaupt als A. diagnostiziert?) die Rede sein, wie man solchen Menschen nur helfen, wie man sich vor ihnen schütze könne.

Autisten werden als humorlose asoziale Roboter beschrieben, deren Spiegelneuronen so tot sind, wie ihr Gefühlsleben. Autismus wird als Persönlichkeitsstörung bezeichnet, als unheilbare Geisteskrankheit. Im Grunde wird der Schütze durch eine angebliche Krankheit entschuldigt. Er war krank, das könnte als Erklärung reichen ...

Ich finde interessant, wie der Vorfall mit der Aufgabe der Asperger-Klassifikation in der jüngsten Ausgabe des amerikanischen DSM-Manuals psychischer Störungen zusammenfällt. Die Diskussion um den Autismus-Begriff wird nun vielleicht auch in der Gesellschaft weitergeführt. Denn was Autismus ist, ist keineswegs eindeutig und festgelegt.

Die viel spannenderen Diskussionen erwarte ich allerdings in den Asperger-Foren, denn dort hat sich erst in den vergangenen Jahren ein Selbstbewusstsein entwickelt: Ich bin ein Aspie! Dieses Selbstbewusstsein wird durch die DSM-Entscheidung einerseits, durch eine möglich Problematisierung des Asperger-Begriffs andererseits angegriffen.

Ich bin gespannt, was am Ende stehen wird. Denn das Aspie-Selbstverständnis ist ja auch problematisch: jeder Mensch ist einzigartig und manche halt ein wenig einzigartiger. Dieses Selbstverständnis wird längst von anderen Menschen im Autismus-Spektrum kritisiert. Es geht darum, was normal ist, was auch normal ist und was nicht mehr normal und damit ein Problem ist.

Dass jetzt in den Medien ein Zusammenhang zwischen (angeblicher!) Asperger-Diagnose und dem Angriff hergestellt wird, wirft diese Debatte auf ihre Anfänge zurück - als die Frage noch war: Ist jemand krank, nur weil er oder sie nicht den (widersprüchlichen) Normen der Gesellschaft nach Anpassung und Individualität entspricht?

Ich hoffe, dass diese Debatte schnell überwunden ist, um die viel wichtigere Frage zu stellen: Wie passt die Diagnose Autismus eigentlich in eine technisierten Gesellschaft der vermittelten Sozialkontakte und Emotionen? Was beschreibt sie? Der Autist ist nämlich auch ein Produkt dieser Gesellschaft, die trotz Individualisierungsdruck einen individuellen Ausdruck sehr stark zu regeln versucht. Sei anders, aber nicht andersartiger als die anderen.

Menschen im Autismus-Spektrum leiden (wenn ich das als Nicht-Betroffener so flapsig formulieren kann) wohl weniger am Autismus, als an einer Gesellschaft, die ihren eigenen problematischen Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen und Menschenbildern nicht verstanden und ins Selbstbild integriert hat. Nicht der Mensch leidet am Autismus, sondern der Autist an der Gesellschaft.

// Ich muss mal Spurensuche machen: Wieso glaubten diverse Journalisten eigentlich, Lanza sei ein Autist, ein Asperger noch dazu? Die einzig belastbare Aussage kam vom Bruder. Aber der sprach davon, Lanza habe eine "personality disorder". Und Autismus ist keine p. d.

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